Humanitärer Notstand in Idlib, Nordwest-Syrien / „Wenn ich das Geräusch von Flugzeugen höre, zittere ich am ganzen Körper und habe Angst.“

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Köln (ots) – Mehr als 300.000 Menschen in der syrischen Provinz Idlib sind seit
Dezember 2019 vor Luftangriffen und Bombardements aus ihren Häusern geflohen.
Trotz der kürzlich für Idlib ausgehandelten Waffenruhe zwischen der Türkei und
Russland, sind hunderttausende Vertriebene unterversorgt und suchen Zuflucht im
Norden Idlibs. Das humanitäre Hilfsnetzwerk Islamic Relief hilft den Menschen
vor Ort mit Decken, Essen und Transporten.

Verschärfte Feindseligkeiten zwischen Regierungstruppen und nichtstaatlichen
bewaffneten Gruppen im nordwestlichen Regierungsbezirk Idlib haben seit Dezember
2019 die Vertreibung von mehr als 312.000 Menschen verursacht. Ergänzend zu den
400.000 Menschen, die bereits zwischen Mai und August 2019 vertrieben wurden,
sind nun mehr als 700.000 Menschen auf der Flucht. Die Vertriebenen bewegen sich
weiter nach Norden an die türkische Grenze oder Richtung Aleppo.

Eine der Vertriebenen ist die 35-jährige Mariam*, die aus einem Dorf bei Maarrat
al-Numan südlich von Idlib geflohen ist. „Mein Dorf wurde belagert und
bombardiert. Alle haben versucht, ihre Häuser schnell zu verlassen und der
Belagerung und den Bombardements zu entkommen“, erzählt die mehrfache Mutter.
„Die Straße, auf der wir mit dem Auto flohen, wurde bombardiert und die
Kampfflugzeuge verfolgten uns. Wenn ich das Geräusch von Flugzeugen höre,
zittere ich am ganzen Körper und habe Angst. Ich erstarre vor Angst.“

Als die Bombardements anfingen, verließen Mariam und ihre Familie ihr Haus, ohne
etwas mitnehmen zu können. Sie haben keine Wechselkleidung, keine Decken und
kein Geld, alles wurde von den Bomben vernichtet. Mariam und ihre Familie leben
aktuell in einem verlassenen Haus ohne Wände, ohne Fenster und ohne Schutz. „Wir
frieren, wir schlafen ohne Decke. Es regnet auf uns und der eisige Wind fegt
durch das Haus. Wir haben nichts! Ich trauere, um unseren Zustand, aber auch um
meine toten Nachbarn und Freunde. Ich habe sie sterben sehen“, schildert Mariam
gefasst.

Wie auch in Mariams Dorf wurden im letzten Monat zahlreiche Lager, Schulen und
Märkte im Süden der Provinz Idlibs beschossen und zivile Opfer gemeldet. Kälte
und Regen verschärfen zudem den humanitären Bedarf in Nordwest-Syrien. Zelte
werden überflutet und die Vertriebenen sind niedrigen Temperaturen ausgesetzt,
während sie in unsicheren Notunterkünften oder unter freiem Himmel schlafen.
Hohe Kraftstoffpreise und Treibstoffknappheit behindern zudem die Flucht und den
Transport von Zivilisten, aber auch den von Hilfslieferungen.

Während sich bereits im Sommer die Situation für medizinische Versorgung durch
humanitäre Helfer zuspitzte und ihre Hilfe unmöglich machte, können die
Hilfsorganisationen im Süden Idlibs unter den schlechten Bedingungen weiterhin
keine ausreichende Hilfe leisten. Auch Ahmed Mahmoud, Missionsleiter von Islamic
Relief Syrien berichtet: „Mehrere Hilfsorganisationen wurden gezwungen, die
Operationen im Süden von Idlib auszusetzen. Wenn die derzeitige Unsicherheit
anhält oder sich weiter verschlechtert, werden weitere Organisationen diese
Option erwägen. Dies wird die gemeinsame Unterstützung, die wir für
Hunderttausende von Vertriebenen leisten können, nur weiter einschränken.“ Das
internationale Hilfsnetzwerk von Islamic Relief konnte mit seinem Notfallfonds
bereits 312.000 Euro für Nothilfe in Idlib bereitstellen.

Weitere Zugangsschwierigkeiten sind auf die unbeständige Sicherheitslage und die
schlammigen Straßen zurückzuführen. Schutz, Nahrung, Unterkünfte und
Non-Food-Items sowie die gesundheitliche Versorgung der Binnenvertriebenen sind
zentrale Leistungen der humanitären Hilfe vor Ort. Die jüngste Vertreibungswelle
verschärft die bereits katastrophale Situation in Idlib. Der dicht besiedelte
Regierungsbezirk im nordwestlichen Syrien beherbergt bereits Vertriebene aus
ganz Syrien. Mehr als drei Millionen Zivilisten harren im Kriegsgebiet aus,
wobei die überwiegende Mehrheit von ihnen Frauen und Kinder sind.

Aktuelle Hintergrundinformationen: Der UN-Sicherheitsrat verlängerte nach
wochenlanger Blockadehaltung Russlands, kurz vor Ablauf der Frist am
Freitagabend, die Hilfslieferungen nach Syrien, von der bisher drei Millionen
notleidende Menschen profitieren. Der verabschiedete Text fällt jedoch hinter
die bisherige Regelung zurück. Denn der Kompromiss könnte Notleidende im Norden
Syriens von Hilfslieferungen abschneiden.

*Name wurde von der Redaktion geändert

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