Argumente gegen E-Zigarette oder Tabakerhitzer bei Sekundärprävention von Gefäßerkrankungen schwinden – JAHA zieht Studie zurück

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Starnberg (ots) – Die Arbeitsgruppe von Stanton Glantz vom Center for Tobacco
Control Research and Education an der University of California, San Francisco,
USA, publizierte 2019 einen viel beachteten Artikel in der amerikanischen
Kardiologenzeitschrift Journal of the American Heart Association (JAHA) mit dem
Titel „Electronic Cigarette Use and Myocardial Infarction Among Adults in the US
Population Assessment of Tobacco and Health“. Die Wissenschaftler kamen zu dem
Ergebnis, dass „wenn statistisch für das Rauchen brennbarer Zigaretten
adjustiert wird, der gelegentliche und der tägliche Gebrauch von E-Zigaretten
mit einem erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt verbunden ist.“ Außerdem
schlossen sie, dass „die Wirkung von E-Zigaretten denen herkömmlicher Zigaretten
gleicht und die gleichzeitige Verwendung von E-Zigaretten und herkömmlichen
Zigaretten sogar ein doppelt so hohes Risiko hat wie die alleinige Verwendung
eines der beiden Produkte.“

Grundlage dieser Aussagen war eine Befragung von 26.447 Erwachsenen zwischen
September 2013 und Dezember 2014 mit erneuter Reevaluation zwischen Oktober 2014
bis Oktober 2015. Diese Befragung wurde von den Autoren aber nicht selbst
durchgeführt, sondern als Teil einer nationalen repräsentativen
bevölkerungsbasierten Kohortenlängsstudie zur Verwendung von Tabakerzeugnissen
bzw. deren Gesundheitswirkung. Nun wurde den JAHA-Herausgebern bewusst, dass die
Umfrage in dem oben genannten Artikel bestimmte Informationen nicht vollständig
berücksichtigte, und sie überprüften den Peer-Review-Prozess, der die
Publikation der Studie befürwortet hatte.

Dieser neue Überprüfungsprozess kam zu dem Schluss, dass die wichtige Frage der
Studie, ob die Myokardinfarkte vor oder nach dem Beginn des Gebrauchs von
E-Zigaretten auftraten, nicht klar nachvollzogen werden konnte und forderten die
Autoren auf, zusätzliche Daten, z.B. zum Alter beim ersten Myokardinfarkt oder
zum Alter beim ersten Gebrauch einer E-Zigarette, zu liefern. Daher wurden die
Autoren Dr. Bhatta und Dr Glantz aufgefordert, eine Analyse unter
Berücksichtigung des Zeitpunkts der erstmaligen Verwendung von E-Zigaretten
durchzuführen. Die Autoren stimmten dem Verlangen der Herausgeber zwar zu,
lieferten diese Analyse aber nicht, da sie nach eigenen Angaben nicht auf die
Daten zugreifen können. Angesichts dieser Probleme sind die Verantwortlichen des
JAHA besorgt, dass die Schlussfolgerung der Studie unzuverlässig ist und haben
den Artikel von der Veröffentlichung in JAHA zurückgenommen.

Negative Schlagzeilen werden immer schnell verbreitet. Die Rücknahme einer
wissenschaftlichen Publikation zur Korrektur dieser negativen Schlagzeile
vollzieht sich immer leise. Bei der teils kontroversen Diskussion über den
Nutzen von E-Zigaretten und Tabakerhitzern zur Sekundärprävention von
Gefäßerkrankungen in Deutschland, sollte dies aber berücksichtigt werden. Der
Versuch, den medizinischen Nutzen von E-Zigaretten und Tabakerhitzern, bzw.
potentiellen Risiken, die mit dem Gebrauch einhergehen wissenschaftlich zu
untermauern, ist lobenswert. Die Rücknahme dieser Publikation zeigt aber, wie
schwierig dies ist und dass vorschnelle unvollständige Analysen dem Thema eher
schaden als nutzen.

Wichtig für die weitere Diskussion ist, darauf hinzuweisen, dass die selben
Autoren auf der gleichen Datenbasis wenig später eine zweite Publikation zu
Lungenerkrankungen und E-Zigaretten im American Journal of Preventive Medicine
publiziert haben. Wenn der Zeitpunkt des Beginns des erstmaligen Konsums einer
E-Zigarette auch hier nicht nachvollzogen werden kann, bleibt abzuwarten, ob
auch dieses Journal die Publikation zurückzieht.

Insgesamt wird Desinformation durch unzulängliche Publikationen und deren
Verbreitung durch die Medien in der Fachwelt als gefährlich eingestuft. Dies ist
aus der Diskussion in verschiedenen Foren abzulesen: Wir müssen offen und
kritisch gegenüber der Wissenschaft sein, so der Tenor. Dabei sollten wir
zweimal nachdenken, wenn wir Geschichten über heiß umkämpfte Themen im
Gesundheitswesen lesen. Bei Themen, die viel Aufmerksamkeit erregen,
veröffentlichen Zeitschriften möglicherweise eher Forschungsergebnisse mit nicht
adäquaten Methoden oder nicht belastbaren Schlussfolgerungen, und die Gutachter
gehen möglicherweise weniger kritisch vor als sonst. Alarmierende Schlagzeilen
sind eingängig, aber Fehlinformationen könnten auch tödlich sein.

Autor: Knut Kröger, Krefeld

Reference:

Retraction to: Electronic Cigarette Use and Myocardial Infarction Among Adults
in the US Population Assessment of Tobacco and Health. J Am Heart Assoc.
2020;9:e014519. Bhatta DN, Glantz SA. Electronic Cigarette Use and Myocardial
Infarction Among Adults in the US Population Assessment of Tobacco and Health. J
Am Heart Assoc. 2019;8:e012317. Bhatta DN, Glantz SA. Association of E-Cigarette
Use With Respiratory Disease Among Adults: A Longitudinal Analysis. Am J Prev
Med. 2020;58:182-190

Pressekontakt:

Frank Kamperhoff
fkamperhoff@md-institute.com

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